Wer war eigentlich … Heliogabalus?

„Heliogabalus“ war der Spitzname eines römischen Kaisers, sein Geburtsname lautete Varius Avitus Bassianus und als Kaiser nannte er sich Marcus Aurelius Antoninus. Er kam schon als junger Mann durch einen Militärputsch an die Macht und wurde durch sein rücksichtsloses, lasterhaftes Auftreten für die Nachwelt zu einem Musterbeispiel für die Dekadenz des römischen Kaisertums.
Nach nur vier Jahren im Amt hatte er so viele politische Freunde verprellt und seinen Ruf so weit ruiniert, dass er ermordet wurde. Und als ob der Tod nicht Strafe genug sei, verhängte der römische Senat die ‚damnatio memoriae‘, also die „Verdammung des Andenkens“ über Bassianus. Das bedeutete, dass sein Name aus allen Aufzeichnungen getilgt, und alle Bildnisse und Inschriften mit seinem Namen oder Konterfei zerstört wurden.

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Bild „Elagabalo …“ (Quelle: „Elagabalo (203 o 204-222 d.C) – Musei capitolini – Foto Giovanni Dall’Orto – 15-08-2000“. Lizenziert unter Attribution über Wikimedia Commons –

Jugend

Bassianus wurde im Jahr 204 geboren. Sein Vater Sextus Varius Marcellus stammte aus der römischen Provinz Syria und hatte in der Verwaltung in Rom Karriere gemacht. Bassianus‘ Großmutter, Julia Maesa, war die Schwägerin des Kaisers Caracalla. Mit ihrer Protektion wurde Vater Marcellus Senator und hatte zuletzt das Amt eines Statthalters in der Provinz Numidia in Afrika inne. Dadurch hatte auch Bassianus den Stand eines Eques, also eines „Ritter“, er war also ein Adliger Roms.
Bassianus hatte also, so muss man annehmen, eine behütete Kindheit in Rom und die Erziehung eines Sprösslings der römischen Oberschicht genossen, auch wenn sein Vater als Statthalter von Numidien nicht bei ihm in Rom sein konnte. Doch im Jahr 217, als der Prätorianerhauptmann Macrinus den Kaiser Caracalla ermordete, änderten sich Elagabals Lebensumstände dramatisch. Macrinus wurde nach dem Mord selbst Kaiser und verbannte die Familie seines Vorgängers in ihre Heimat Emesa, dem heutigen Homs.

Aufstieg

Diese Entscheidung sollte sich für Macrinus als fatal erweisen, denn in ihrer Heimatstadt hatte Julia Maesa starken gesellschaftlichen Rückhalt. Ihre Familie stammte aus einer Dynastie von Priestern eines lokalen Gottes in Syrien, dem Gott Elagabal. Dies brachte ihr großen Einfluss und Zugriff auf beträchtliche finanzielle Mittel – beides nutzte sie, um ihren Sohn an die Macht zu bringen.
Durch Bestechung und Versprechungen brachte Julia Maesa die örtliche römische Besatzung dazu, gegen Macrinus zu rebellieren. Sie krönten Bassianus unter dem Namen Marcus Aurelius Antoninus zum Gegenkaiser. Dabei wird auch geholfen haben, dass seine Großmutter ihn als unehelichen Sohn des ermordeten Caesaren Caracallas ausgab, denn dieser war bei der Armee sehr beliebt gewesen. Mehrere Legionen schlossen sich dem Aufstand an und als Macrinus den Aufstand niederschlagen wollte, unterlag er und wurde getötet.
Nun, da sein Rivale aus dem Weg geräumt war, marschierte Antoninus mit seinen Soldaten nach Rom. Auf dem Weg kam es zu einer Auseinandersetzung mit seinem Mentor Gansys, einem Vertrauten seiner Großmutter. Antoninus soll Gansys eigenhändig erschlagen haben. In Rom angekommen, sah er sich der Feindschaft der Senatorenschaft gegenüber, hatte doch schon Caracalla, als dessen Nachfolger Antoninus inszeniert wurde, gegen den Senat regiert.

Dekadenz

Seine Großmutter Julia Maesa hielt die trotz des Mordes an ihrem Vertrauten Gansys an Antoninus fest. Sie betrieb weiter seinen Aufstieg und zog wohl weiterhin die politischen Fäden, denn Antoninus war noch sehr jung und zudem sehr unbeherrscht. Er nahm keine Rücksicht auf höfisches Protokoll und missachtete die römischen Traditionen, zum Beispiel, indem er sich als orientalischer Priester kleidete, anstatt als Römer. Zum Ausgleich versuchte er, sich die einfache Bevölkerung und die Soldaten mit Geldgeschenken und Zirkusspielen gewogen zu machen.
Bald nach seinem Einzug in Rom heiratete Antoninus eine Adlige aus gutem Hause, doch verstieß er sie bald darauf wieder. Stattdessen nahm er Julia Aquila Severa zur Frau, was einen Skandal auslöste, denn sie war eine Priesterin der Göttin Vesta. Vestalinnen hatten Keuschheit gelobt und auf die Missachtung dieses Gelübdes stand die Todesstrafe. Zwar verstieß er Aquila, wohl auf Druck seiner Großmutter, und nahm eine andere Frau, doch kehrte er danach zu Aquila zurück.
Neben seinem Liebesleben erregte auch seine Politik das Missfallen des Adels. Er versuchte, durch die Einsetzung unbekannter Männer aus niederen Ständen in Staatsämter eine ihm ergebene Gefolgschaft aufzubauen, und brachte dabei auch ehemalige Sklaven in hohe Positionen. Neben dem Verlust an Pfründen bedeutete dies auch eine Herabsetzung der adligen Familien, die solche Positionen traditionell für sich beanspruchten.

Fremde Götter

Wichtigster Streitpunkt seiner Amtszeit war jedoch seine Religionspolitik. Antoninus verstand sich als Priesterkönig und wollte die Anbetung des Gottes Elagabal aus seiner Heimat zur Staatsreligion in Rom machen. Zu diesem Zweck ließ er ein zentrales Heiligtum des Kultes nach Rom überführen, den heiligen Stein. Weiter wollte er den Gott Elagabal symbolisch mit der Fruchtbarkeitsgöttin Tanit vermählen und seine eigene Heirat mit einer Vestalin sollte diese Verbindung repräsentieren – was dem römischen Verständnis von Keuschheit und Sitte völlig zuwiderlief. Zudem war Antoninus wie im Nahen Osten üblich, beschnitten, was in der römischen Tradition sehr verpönt war.

Sturz

Seine Großmutter muss wohl geahnt haben, dass ihr Favorit keine gute Figur machte, denn sie setzte durch, dass er seinen Cousin Bassianus Alexianus zum Mitregent ernannte und adoptierte und damit nach römischem Brauch als Nachfolger festlegte. Damit versuchte sie, ihre Familie an der Macht zu halten, falls der derzeitigen Kaiser in Ungnade fallen sollte. Antoninus muss dies wohl geahnt haben, denn angeblich veranlasste er mehrere Attentate auf seinen Cousin, doch sie schlugen alle fehl.
Am 11 März 222 wurde Antoninus von meuternden Soldaten ermordet, die wahrscheinlich seine eigene Großmutter angestachelt hatte. Sie brachten ihn und seine Mutter um und warfen seine Leiche in den Tiber. Der Senat bestätigte den Cousin Alexianus als Nachfolger, der unter dem Namen Severus Alexander die Kaiserwürde annahm, und verhängte die damnatio memoriae über Antoninus.
Trotzdem überdauerte die Kunde von seinen Taten, und Geschichtsschreiber späterer Jahrhunderte beschrieben Antoninus als Musterbeispiel eines dekadenten und verdorbenen Herrschers, sagten ihm Homosexualität und allerlei Perversionen nach und gaben ihm den Beinamen Elagabal (latinisiert als „Heliogabalaus“) nach dem Gott, den er den Römern hatte aufdrängen wollen.

Moderne Historiker sind im Übrigen uneins, ob die Römer eine „Damnatio Memoriae“ wirklich dazu verhängten, um den Namen vergessen zu machen – immerhin sind fast alle Personen, die so ein Urteil traf, bis heute namentlich bekannt. Unvollkommene und unvollständige Tilgungen könnten durchaus bedeuten, dass der Betreffende im Gegenteil durch die Maßnahme als besonders verderbt in Erinnerung bleiben sollte.

Bilder:
http://commons.wikimedia.org/wiki/Elagabalus?uselang=de

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