Frag den Concept Artist Teil 2

Hier folgt nun der zweite Teil von unserem Interview mit Mel. Viel Spaß!

Musst Du Dich dafür aufraffen, weil es eine Pflicht für Dich ist oder verschwimmen Hobby und Beruf zu einer Leidenschaft?

Schon eher zur großen Liebe. Manchmal sehe ich irgendwelche Sachen oder mir fällt etwas ein und ich werde ganz hibbelig und will das sofort ausprobieren. Dann sitze ich in der U-Bahn und zappel, weil ich schnell nach Hause will um zu zeichnen. Das ist die große Leidenschaft.

Hat sich seit Deiner Ausbildung im Zugang zum Beruf und zu den Stellen etwas verbessert?

Im Gegenteil, es gibt immer mehr talentierte Artists und der Weg führt nach wie vor über gute Kontakte. Da draußen gibt es viele Leute, die von sich behaupten, gute Künstler zu sein, aber sie sind es nicht. Das macht das Auswahlverfahren für Unternehmen schwieriger. Es ist nachvollziehbar, dass die sich dann lieber auf Kontakte, Empfehlungen und existierende Netzwerke verlassen.

Meine erste Erinnerung an Dich ist mein eigenes Vorstellungsgespräch hier bei Travian Games. Ich wurde am Ende herumgeführt und wir kamen bei Dir vorbei. Da wurde mir gesagt: „Vorsicht, das ist Melanie, die ist gerade etwas genervt, weil sie am laufenden Band Bäume zeichnet“. Und Du warst vollkommen mit diesem Thema beschäftigt. Auf was bist Du besonders stolz?

Dass das Rundumpaket am Ende so gut passt und aus einem Guss wirkt, darauf bin ich stolz. Es waren so entsetzlich viele kleine Einzelteile. Also wenn jemand 180 Steine zeichnet, dann schreit er bestimmt nicht „Yeah, das macht Spaß“. Die von Dir erwähnten Bäume waren echt grenzwertig. Aber es hatte auch eine positive Seite. Die Bäume waren das erste Element, das wir im Spiel hatten. Es war das erste Mal, dass da in Travian: Kingdoms etwas auf der Wiese stand und wir einen Eindruck vom Look bekommen haben. Das war ein wichtiger Schritt, der damals gemacht werden musste.

Sind es diese Details, die man manchmal als Spieler unterschätzt? Ich meine, ein Baum oder ein Stein gehören sicher nicht zu den Dingen, die den Spielern im Gedächtnis bleiben, wenn sie an Travian: Kingdoms denken.

Das ist es eben. Es muss irgendwie gut aussehen, darf Dich aber nicht ständig vom eigentlichen Spiel ablenken. Gerade die Bestandteile der Landschaft dürfen Dir nicht ständig ins Auge springen.

Gibt es etwas, dass Dich bei aller Leidenschaft auch mal total nervt?

Der berufliche Druck hinten dran. Ich kenne viele Concepter, die seit 20 Jahren in dem Job sind und inzwischen klagen, dass sie keinen Spaß mehr am Zeichnen haben. Es gibt für Freelancer auch Kunden oder bei einer Festanstellung Firmen, die Dir ständig ohne nachvollziehbare Argumente in jedes Detail reinreden. Du hast Dir vorher wirklich Gedanken gemacht, ein komplettes Konzept erstellt und dann kommt jemand daher und lehnt Dinge ab mit Begründungen wie „ich mag blau lieber“. Da kommt man dann an den Punkt, wo man keine Freude mehr für den Job empfindet.

Wenn man nicht von Beginn an einen gewissen innerlichen Abstand pflegt, nagt das schnell an einem. Das erleben viele Concepter. Bei mir ist das nicht mal ansatzweise soweit, aber ich bin auch noch nicht so lange dabei. Ich habe ein wenig Angst vor, dass es mir auch irgendwann passiert.
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Als ich ein Kind war, waren meine ersten Zeichnungen Dinosaurier. Einige davon habe ich auch noch zuhause. Gibt es sowas bei Dir auch? Was hast Du als erstes gezeichnet?

Ich habe noch ganz viel davon. Bei meiner Mutter ist der halbe Keller voll damit. Inzwischen ist sie sogar stolz darauf, weil sie glaubt, dass ich irgendwann berühmt werde und dann ist das Zeug ihrer Meinung nach ganz viel wert (lacht). Ich habe viel Fantasy Kram gemalt. Als Kind war ich ein großer Fan von Disney Filmen und von den Elfquest Comics. Damals fand ich die super und ich weiß nicht, wie viele Elfen ich gezeichnet habe.

Hast Du Dir im Lauf der Jahre dann irgendwelche Vorbilder genommen? Gibt es einen Stil oder jemanden, von dem Du sagst, dass Du immer genau so sein wolltest?

Jein. Natürlich sammelt sich im Lauf der Jahre viel an, was Du toll findest. Aber ich achte sehr darauf, dass ich mich nicht auf einen bestimmten Stil oder einen Artist konzentriere, das ist Gift für den Job. Wenn Du Dir immer wieder denselben Artist ansiehst, nimmst Du dessen Stil oder Elemente davon schneller an, als Du denkst. Das ist Gift, denn wenn ich morgen plötzlich ein anderes Projekt angehen muss, dann muss ich mich sofort komplett darauf einlassen können. Wenn ich mir aber einen bestimmten Stil angeeignet habe und da nicht rauskomme, dann ist das gefährlich.

Bei Fotografen, mit denen ich zusammen gearbeitet habe, gibt es eine Menge Leute, die sich heute noch weigern, digital zu arbeiten. Sie nutzen heute noch ganz klassisch den Film. Wie ist das bei Dir? Arbeitest Du lieber mit dem Rechner digital oder mit Pinsel, Stift und Papier?

Ich mische das komplett. In der Schule, die ich besuche, geht es um die ganz klassischen Disziplinen, da zeichne ich gar nichts digital und auch zuhause arbeite ich oft mit Papier. Dann sitze ich auch viel an der Isar rum oder zeichne in der U-Bahn. Ich schaue immer, dass ich beides nicht einschlafen lasse. Es soll ja nichts einrosten.

Eben kam ja schon einige Male rüber, dass Du Kunst und Deinen Beruf wirklich liebst. Kommen wir auf das Thema „Liebe zum zocken“. Spielst Du und wenn ja, was?

Ich zocke aktuell fast gar nicht mehr, weil mir inzwischen oft die Zeit fehlt. Früher habe ich unglaublich viel gespielt. Meist waren das Action Adventures oder First Person Shooter – alles, was geknallt hat. Inzwischen nutze ich ganz viel von meiner Freizeit dafür, dass ich übe oder meine eigenen kleinen Projekte voran bringe. Dabei fehlt es mir total. Einmal die Woche – das ist Pflicht – muss ich Diablo 3 spielen mit meinem Dad und meiner Schwester. Das machen wir seit etwa 14 – 15 Jahren. Als der zweite Teil damals rauskam, haben wir angefangen.

Gibt es ein Spiel, wo Du sagst, „da hätte ich gern mitgearbeitet, weil es so geil ist vom Design“?

Oh, da gibt es mittlerweile viele Spiele. Generell alles im Science Fiction Bereich, also etwa Halo. Obwohl ich mich mit Maschinen, komplex funktionierenden Dingen und dergleichen gar nicht wirklich auskenne und das nicht so gut kann.

Du hast vorhin erzählt, dass Du in Travian: Kingdoms maßgeblich an der Entstehung der Helden beteiligt warst. Du hast also unzählige Nasen, Bärte, Augen, Frisuren und Ohren entworfen…

Eigentlich war das zunächst mal das externe Studio. Die Figuren sahen aber ein wenig merkwürdig aus. Sie waren klein, mit viel zu langen Armen und großen Nasen. Ich habe die Anatomie komplett überarbeitet und 80 Prozent der Frisuren rausgeschmissen. Die Rüstungen musste ich umarbeiten … es war ein Riesenprozess. Als ich die Figuren das erste Mal gesehen habe, die da ursprünglich kamen, hätte ich fast geweint. Ich war ernsthaft unglücklich wegen dieser „Kreaturen“. Zum Glück kam dasselbe Feedback dazu auch von den Spielern sehr schnell.

Was sagen die inzwischen zu Deinen Arbeiten?

So richtig viel Grafik-Feedback kommt bei uns nicht an, abgesehen von dem gerade erwähnten Fall. Aber das ist eigentlich eine sehr gute Nachricht. Wenn es etwas zu meckern gibt, sind Foren heutzutage immer schnell im Ausnahmezustand. „Loben“ ist im Web halt nicht so ein Ding. Wer etwas gut findet, sagt nichts. Von daher ist es ein sehr gutes Zeichen, wenn niemand etwas zu den Grafiken sagt. Ich freue mich über Kritik oder Wünsche der Spieler, aber das ist wirklich sehr selten.

Ich habe kürzlich eine Statistik von Gerhard Müller bekommen, in der aufgelistet war, welche Einzelteile bei der Heldenzusammenstellung besonders oft gewählt werden von den Spielern.

Die habe ich auch bekommen (lacht).
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Passiert es Dir, dass Du Dich wunderst oder ärgerst, dass die Spieler etwas immer wieder auswählen, obwohl Du Bart Nummer drei oder Frisur zwei viel schöner findest?

Nein, das nehme ich nicht persönlich. Es gibt da auch ganz einfache Mechanismen. Jungs, die mit weiblichem Avatar spielen, stehen oft auf lange Haare. Darum haben wir jetzt auch ganz viele Langhaarfrisuren. Jungs, die männliche Helden haben, stehen dagegen auf volle Bärte. Das ist alles Geschmackssache und darum wundere ich mich nicht über sowas. Jeder soll da einfach seinen Vorlieben folgen.

Woher beziehst Du im Beruf Deine Inspiration, auch wenn Du vielleicht mal nicht vor lauter Energie sprühst?

Wenn ich etwas Neues anfange, verbringe ich einige Tage mit Bildersuche. Ich suche Bilder, die zu dem Thema oder Motiv passen, an dem ich arbeiten soll. Wenn ich fertig bin und mir am Ende die ganzen Fotos angucke, kommt die Inspiration automatisch. Du findest dann im ersten Bild ein Detail, das Du cool findest und im nächsten Bild ein anderes Detail. Du baust Dir dann etwas wie ein großes Puzzle aus Einzeldetails auf, aus dem Du ein Wunschbild zusammen fügst und am Ende musst Du es nur noch hinkriegen, das auch zu zeichnen.

Gibt es da auch mal sowas wie „Dürreperioden“, in denen Dir nichts einfallen will?

An dem Punkt war ich noch nie. Bei mir ist es umgekehrt. Ich habe meist noch viele Privat-Projekte und viele Dinge im Kopf, die ich ausprobieren möchte. Ich habe eher zu viel im Hinterkopf. Manchmal gehen dabei leider einige Sachen verloren.

Es gibt eine Frage, die stelle ich immer am Ende von Interviews. Stell Dir vor, Du gehst heute nach Hause, legst Dich ins Bett und schläfst. Mitten in der Nacht weckt Dich eine gute Fee und sagt: Mel, Du hast einen Wunsch frei! Was für ein Wunsch wäre das?

Weltfrieden (lacht). Nein, ernsthaft, das ist eine extrem schwierige Frage. Ich könnte sagen, dass ich ein guter Artist werden will, aber das habe ich selbst in der Hand. Und wenn ich sage, dass ich gerade wunschlos glücklich bin, klingt das kitschig, oder?

Das ist eine perfekte Antwort und wenn das so ist, kann man Dich beneiden.

Ganz ehrlich, ich weiß wirklich nichts, was ich mir wünschen würde. Es kann sich zwar alles ganz schnell ändern, aber ich bin wirklich wunschlos glücklich.

Melanie, vielen Dank für das Interview!

Das war das Interview mit unserer Concept Artistin Mel. Und jetzt los zum Spiel!

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